Antisemitismus und postkoloniale Theorie.
Der „progressive“ Angriff auf Israel, Judentum und Holocausterinnerung
Buchvorstellung
Der Nationalsozialismus verstand sich selbst als eine revolutionäre Bewegung, der den Klassengegensatz von Kapital und Arbeit zugunsten der sogenannten Volksgemeinschaft aus der Welt schaffen wollte. Er kopierte in Form und Sprache durchaus Elemente der sozialistischen Arbeiterbewegung. Allerdings ist das nationalsozialistische Verständnis von Arbeit bestimmt durch den falschen Gegensatz von gutem ‚schaffenden‘ und bösem ‚raffenden Kapital‘. Als ‚schaffendes‘ Kapital galt den NS-Ideologen das ‚konkrete‘, ‚deutsche‘ Industriekapital, das mit ‚ehrlicher‘ Arbeit assoziiert wurde, während als ‚raffendes Kapital‘ die ‚abstrakte‘, vermeintlich unproduktive Finanzsphäre, die Banken und Börse, angegriffen wurde. Der Vernichtungsantisemitismus des Nationalsozialismus identifizierte das ‚raffende Kapital‘ mit dem Judentum, dessen zersetzender Einfluss die vermeintliche Harmonie der Volksgemeinschaft bewusst verhindere.
Im fünftägigen Seminar wollen wir den falschen Arbeitsbegriff des Nationalsozialismus, der auf die Vernichtung vermeintlich unproduktiven Lebens zielt, eingehend untersuchen und Erklärungen dafür finden, weshalb beinahe eine ganze Gesellschaft diesem kollektiven Wahn zu folgen bereit war. Die materiellen Interessen der Arbeiterschaft wurden damit nämlich nicht bedient, Gewerkschaften wurden gezielt zerschlagen. Und dennoch hatte die Arbeitsideologie des NS eine Massenbasis.
Neben einer historischen Einführung wollen wir in gemeinsamer Lektüre Auszüge aus NS-Propagandaschriften kritisch einordnen und weiteres Propagandamaterial wie Plakate, Karikaturen und Filmausschnitte diskutieren. Auch soll es darum gehen, Bezüge zu aktuelleren Varianten falscher Kapitalismuskritik (etwa in der „Heuschrecken“-Debatte Anfang der 2000er Jahre, im Zuge der Finanzkrise 2008/09 oder der Kritik der „Digitalkonzerne“) herzustellen. Denn: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ (Bertolt Brecht).
Das Wochenseminar wird als Bildungszeit/Bildungsurlaub angeboten. Für Unterkunft und Verpflegung wird ein Kostenbeitrag erhoben.
Jan Rickermann, M. A., lebt in Bremen und hat in Osnabrück Sozialwissenschaften und in Oldenburg Philosophie studiert. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Philosophie und Ideengeschichte. Publikationen u. a. Die „letzte Sinnlosigkeit“. Zur Kritik des Kommenden Politischen Existentialismus bei Giorgio Agamben, in: Zeitschrift für kritische Sozialtheorie und Philosophie 5(2) 2018; „Wenn wir dich eliminieren, verlieren wir nichts“. Zur Gesellschaftslehre des Kommunismus der Roten Khmer, in: sans phrase. Zeitschrift für Ideologiekritik 9 (2016).
Michael Heidemann studierte Philosophie und Politikwissenschaften in Münster und Oldenburg, ist unter anderem Autor der Zeitschrift sans phrase. Zeitschrift für Ideologiekritik und Autor des Sammelbandes „Subjekt und Befreiung“.
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