Antisemitismus und postkoloniale Theorie
Buchvorstellung
Das kollektive »Wir« wird hierzulande immer dann in Anschlag gebracht, wenn es gilt, dem lohnabhängigen Staatsvolk zu verdeutlichen, dass es zum Wohle der Nation den Gürtel enger zu schnallen hat. Die Politik stimmt das nationale Kollektiv auf die kommende Absenkung des Lebensstandards ein. „Wir werden dadurch ärmer werden“, stellt etwa Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) mit Blick auf den drastischen Anstieg der Energiepreise und drohender Engpässe klar. „Wir können auch mal frieren für die Freiheit“, betont der Berufsprediger und Bundespräsident a. D. Joachim Gauck und verkündet Hartz-IV-Empfängern, Leiharbeitern, Minijobbern und sonstigem Pöbel: „Eine generelle Delle in unserem Wohlstandsleben ist etwas, was Menschen ertragen können.“ Der russische Angriff auf die Ukraine und die darauf folgenden Sanktionen werden gern zur Begründung der Krise genommen, sind aber höchstens Katalysator der Entwicklung. Klimakrise, Nahrungsmangel, Lieferengpässe, Energiekrise, Inflation: alle Erscheinungen des späten Kapitalismus haben schon lange vor dem Krieg Fahrt aufgenommen. Was jetzt droht, ist die Abwälzung der Krisenkosten auf die Lohnabhängigen. Daran ändern auch die verschiedenen Entlastungspakete nichts, die jetzt von der Ampel auf den Weg gebracht wurden, um den Unmut des Wahlvolks nicht zu sehr zu erregen. Leider ist auch von den Gewerkschaften dagegen kaum Widerstand zu erwarten. Die haben sich weitgehend hinter die Ampelkoalition gestellt. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, könnte das noch ein heißer Herbst werden.
Stefan Dietl (Jg. 1985) lebt und arbeitet im bayerischen Sulzbach-Rosenberg. Er ist vor allem im antirassistischen und antifaschistischen Initiativen und seit seiner Ausbildung ehrenamtlich in der Gewerkschaft ver.di aktiv. Er publiziert regelmäßig zu gewerkschafts-, sozial- und wirtschaftspolitischen Themen in der linken Wochenzeitung Jungle World und im Monatsmagazin konkret.
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