Der Preis der Freiheit - Hobbes’ politische Philosophie

Thomas Hobbes (1588-1679) ist einer derjenigen Autoren, die elementare Beiträge zur Selbstverständigung der bürgerlichen Gesellschaft geliefert haben. Zugleich spricht er mit der Absicht der Legitimation dieser Gesellschaft ihre problematischen Züge offen aus. Die Ambivalenzen seines Denkens führten zu unüberschaubaren Kontroversen und sind nicht nur der Tatsache geschuldet, dass ein Autor, der eine wissenschaftliche Revolution vollzieht, sich nicht immer gänzlich von den Einflüssen der Tradition freimachen kann, gegen die er opponiert, sondern liegen nicht selten in der Sache selbst begründet. Vor allem das Spannungsverhältnis zwischen rationalistisch-vertragstheoretischer und dezisionistisch-voluntaristischer Begründung der modernen Staatsgewalt ist notwendiger Ausdruck des widersprüchlichen Charakters eines staatlich regulierten Kapitalismus, den Hobbes wie kaum ein zweiter bürgerlicher Denker artikuliert. Dieser Sachgehalt geht in den Teilen der Rezeption verloren, die Hobbes’ Denken entweder „alles ‚Skandalöse’ nehmen“ wollen, um zur These von „Hobbes’ rechtliche[r] Begründung des Staates“ zu gelangen, oder es einer Tradition des Autoritarismus und Dezisionismus zuschlagen, die seinen komplexen bürgerlich-liberalistischen Rechtsbegriff in begründungslose staatliche Macht aufgehen lassen.

Die hier zu verfolgende These lautet dagegen: Hobbes bindet den modernen Staat und sein Gesetz nicht an ein göttlich verbrieftes Naturrecht oder eine reine praktische Vernunft, lässt ihn aber auch nicht aus einer rechtsnormativ ungebundenen Autorität hervorgehen, sondern begründet ihn im Interesse privat-dissoziierter Konkurrenzsubjekte und in dem gegenüber allen menschlichen Zwecksetzungen verselbständigten Machtakkumulationsprozess, dem dieses Interesse schließlich geschuldet und einverleibt ist. Auf der anderen Seite zwingt uns Hobbes nicht nur zur Einsicht in die Dialektik ungebundener kompetitiver Freiheit, die die Konkurrenzsubjekte an die Vernünftigkeit des Staates erinnert, er betont auch die Dialektik staatlich-rechtsförmig eingehegter Freiheit: den untilgbaren Naturzustand im Gesellschaftszustand. Um dies zu belegen, soll im Folgenden zunächst Hobbes’ radikal besitzindividualistisches Legitimationsprogramm moderner Staatlichkeit vorgestellt werden, um sodann sein Konzept rechtlich ungebundener absoluter Souveränität darzulegen.

(erschienen in: I. Elbe/S. Ellmers (Hg.), Eigentum, Gesellschaftsvertrag, Staat. Begründungskonstellationen der Moderne, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2009)

Eine überarbeitete und erweiterte Version dieses Textes findet sich im Band "Paradigmen anonymer Herrschaft" (Würzburg 2015)


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