Text/Vortrag im Archiv für kritische Gesellschaftstheorie
Wird man zum Antisemiten oder macht man sich dazu? Ich möchte im Folgenden die These der ’Überlegungen zur Judenfrage’ darstellen, der Antisemitismus sei „eine freie
und totale Wahl“ und einige ihrer theoretischen Hintergründe beleuchten. Denn es ist auffällig, dass Sartres Aussage häufig zitiert, aber selten mit seinen existentialistischen Prämissen in Verbindung gebracht wird. Dabei, so meine These, würde nämlich auffallen, dass Begriffe wie Wahl und Verantwortung sich dem alltagssprachlichen Bedeutungsgehalt entziehen und sich in ihr Gegenteil verkehren. Ich werde darlegen, dass der Antisemitismus, nimmt man Sartres dezisionistische Freiheitstheorie ernst, zum blinden, unerklärlichen und unverständlichen Schicksal mutiert, die behauptete totale Verantwortung für den ‚unaufrichtigen Seinsmodus’ Antisemitismus in totale Unfreiheit und Unzurechenbarkeit umschlägt. Damit sollen keineswegs die großen Verdienste der Überlegungen geleugnet werden, im Gegenteil werde ich versuchen zu zeigen, dass dieser Essay ein Werk des Übergangs von einer vermeintlich konkreten, tatsächlich aber schlecht abstrakten existentialontologischen Betrachtung des Subjekts zu einer stärker gesellschaftstheoretisch orientierten Analyse der ‚Freiheit in Situation’ darstellt.
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