Text/Vortrag im Archiv für kritische Gesellschaftstheorie
Janice Sessions, die Protagonistin in Arthur Millers Erzählung Unscheinbares Mädchen, ein Leben, Tochter eines jüdischen Emigranten in New York, ist in erster Ehe mit Sam Fink verheiratet, einem überzeugten intellektuellen Kommunisten. Janice verlässt Sam und kommt mit dem Blinden Charles zusammen, mit dem sie zum ersten Mal glücklich ist. Ihre Vergangenheit, in der sie sich die Exegesen der jeweils letzten Stalin-Rede anhören und die Welt vom Klassenstandpunkt erklären lassen musste, ist ihr peinlich. Ihr neuer Geliebter Charles kennt dies, aber er wendet ein: „Vieles aus der Vergangenheit ist einem peinlich – wenn man überhaupt sensibel ist. Was es in einem zurückläßt, darauf kommt es an, egal, wie dumm dir dein Leben rückblickend erscheint“ (29). Was deutschen Linken peinlich ist und was in ihnen zurückblieb, ist leider meistens das gleiche. Kontinuität hat, was damals schon falsch war, was man in unterschiedlichen Aufführungen wiederholte. Das, wozu man sich später läuterte, ist das alte Elend in anderer Form. Deswegen geht ebenso fehl, wenn man ihnen von linker Seite Verrat an den Idealen von einst, wie wenn man ihnen von rechter Seite die Zersetzung des Landes vorwirft. Ebenso falsch ist es, ihnen Einsicht zu attestieren, die die angeblichen Brüche in ihren Biographien rechtfertigen sollen, mit denen sie ihr eigenes Leben und das Deutschlands erfolgreich gestalten konnten. Die Kontinuität der Naivität und der Flausen eines von links moralisierenden Alltagsverstandes spricht auch aus den Versuchen ehemaliger Beteiligter, sich und ihre Zeit zu historisieren, bei den Apologeten ebenso wie bei den Bekehrten.
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