Rezension im Archiv für kritische Gesellschaftstheorie
Seit ein paar Jahren herrscht Tauwetter: wurde Anfang der 1990er Jahre das „Ende der Geschichte“ ausgerufen, landet Marx mittlerweile bei Wahlen zu beliebten Persönlichkeiten auf forderen Plätzen. Sekundiert wird diese Entwicklung von einer Kapital-Lesebewegung, die angesichts der immer noch sehr mächtigen pensée unique allerdings kaum institutionellen Rückhalt findet – sei es an den Hochschulen oder in der Bildungsarbeit. Dies ist der Hintergrund für Michael Heinrichs systematischen und jüngst im Stuttgarter Schmetterling-Verlag erschienenen Kommentar der ersten zwei Kapitel des ersten Bandes von Marx’ ökonomiekritischem Hauptwerk. Auf gut 200 Seiten kommentiert der Autor knapp halb soviel Text des 23. Bandes der Marx-Engels-Werke – des am schwersten verständlichen Teils des gesamten Buches. Dabei orientiert sich Heinrich an einer Art des Kommentierens, die darin bestehe, „sich ausschließlich auf den vorliegenden Text zu beziehen [...], diesen Text genau auseinander zu nehmen, zu untersuchen, was an dieser Stelle begründet wird und was nicht, welche impliziten (nicht direkt ausgesprochenen) Argumente darin enthalten sind etc. Der einzige weitere Text, der zur Interpretation herangezogen wird, ist der vorangegangene Text, der bereits gelesen wurde.“
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