Yaacov Lozowick

Hitlers Bürokraten

Eichmann, seine willigen Vollstrecker und die Banalität des Bösen

Am 31.05.1962 wurde Adolf Eichmann in Israel hingerichtet. Er war zuvor in Argentinien, wohin er sich nach der Niederwerfung des Nationalsozialismus wie viele Nazis über Umwege geflüchtet hatte, vom israelischen Geheimdienst aufgespürt, nach Israel entführt, dort interniert und verhört worden. Dazwischen, vom 11.04. bis zum 11.12.1961, lag der Strafprozess, der in straf- und völkerrechtlicher Hinsicht umstritten und bemerkenswert war. V.a. aber diente er, ähnlich wie die sog. Auschwitz-Prozesse in der BRD in den 60ern, der Klärung der Tat- und Handlungsabläufe in den inneren Strukturen des NS-States, und zwar besonders des Vernichtungsapparates. Mit Eichmann hatte man den Fachmann für die Judenfrage im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) dingfest gemacht; der zunächst um die forcierte Auswanderung der Juden aus dem Reichsgebiet sich kümmerte und hierfür im Sommer 1938 in Wien eine vorbildlich und reibungslos funktionierende „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ einrichtete; der ab März 1941 Dezernent des berühmt-berüchtigten Referats IV B 4 im RSHA in der SS- und SD-Zentrale in Berlin war. Eichmanns Büro war die Schalt- und Koordinationsstelle der Vernichtung der europäischen Juden. Jeder Transport nach Auschwitz ging durch seine Akten.

Die Öffentlichkeit erwartete ein Monster, und der Staatsanwalt Gideon Hausner gab sich größte Mühe, Eichmann als solches darzustellen und ihn des direkten Mordes zu überführen. Beides musste scheitern. Viele Prozessbeobachter schilderten wie sein Verhörer Less Avner ihre Ernüchterung, ja Enttäuschung, als sie Eichmann zu Gesicht bekamen. Der bekannteste Bericht ist Hannah Arendts Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen (1964), dessen Untertitel weltberühmt, ja zur festen Redensart und mit dem Eichmann zum Prototyp des biederen, gewöhnlichen Bürokraten wurde: mitnichten ein Dämon fanatisch verfolgenden Antisemitismus, sondern ein interesseloser, penibler Aktenwälzer, der immer nur autoritätshörig seine Pflicht tat, ungeachtet des Gegenstandes, mit dem er sich zu befassen hatte. Die Studie Yaacov Lozowicks, des Archivdirektors von Yad Vashem, setzt sich mit dieser Sicht, die „zu einem permanenten Bestandteil des westlichen Bewusstseins, zu einem Kernstück der modernen Kultur wurde“ (340), auseinander und möchte den Gegenbeweis antreten: „Eichmann und seine Kollegen wußten sehr genau, was sie taten, sie taten es mit ganzem Herzen und bereuten später allenfalls, erwischt worden zu sein“ (341)


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